Ferkel nadelfrei impfen – aber wie gewohnt in den Muskel!

Das innovative Impfgerät „FreVAX“ erfindet die nadellose Impfung von Ferkeln neu. Das Besondere: Die Injektion erfolgt nicht intradermal, sondern wie gewohnt intramuskulär. Dadurch können die aktuellen Ferkelimpfstoffe von Boehringer Ingelheim weiter eingesetzt werden. Dass die Technik absolut praxistauglich ist, zeigen Erfahrungen in einer Sauenanlage in Sachsen-Anhalt.


Nadelfreie Impfgeräte gibt es bereits seit einigen Jahren auf dem Markt. Bekannt sind vor allem Apparate, die nadelfrei intradermal, also in die obersten Hautschichten,
impfen. Hierfür werden spezielle Impfstoffe verwendet, die mit 0,2 ml Dosisvolumen pro Tier verabreicht werden. Ganz neu kommt jetzt ein Impfgerät auf den Markt,
FreVAX, welches nadelfrei intramuskulär impft, also vergleichbar mit einer Impfung per Injektion. Entwickelt von Boehringer Ingelheim und Henke-Sass, Wolf handelt
es sich hierbei um ein akkubetriebenes mobiles Handgerät, welches anstatt mit der Nadel die Impfstoffe per Federkraft in den Muskel verabreicht. Mit FreVAX ist es also erstmals möglich, den gewohnten und vertrauten intramuskulären Applikationsweg für Impfstoffe zu kombinieren mit der zukunftsweisenden Technik der nadelfreien Impfung. Dadurch ist FreVAX direkt kompatibel mit aktuellen Impfstoffen mit einem Dosisvolumen von 1 oder 2 ml. Mit FreVAX können Ferkel vom Absetzen  bis zum Ende der Aufzucht geimpft werden.

Tierarzt von Technik überzeugt

Erste Erfahrungen mit FreVAX konnte die Schweineproduktion der Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe mit Hauptsitz in Jessen (Elster) sammeln. Die Leiterin der 1.200er-Sauenanlage in Sachsen-Anhalt, Gisela Hellbach, hat das mobile Impfgerät im September 2020 von ihrem Tierarzt Dr. Martin Pfützner bekommen. Dieser kennt und schätzt die Vorteile der nadelfreien Impfung. „Es ist eine schonende Applikationsform. Sie verursacht weniger Schmerzen an der Einstichstelle und dadurch weniger Stress für die Tiere. Es besteht nicht die Gefahr abgebrochener Impfnadeln im Fleisch, was sonst ein Problem für die Lebensmittelqualität darstellt. Und ein weiterer wichtiger Punkt: Wir minimieren die Erregerübertragung zum Beispiel von PRRS oder Streptokokken. Bei der sonst üblichen Injektion per Kanüle ist das Risiko viel größer, denn schließlich wird die Nadel nicht nach jedem Tier gewechselt.“


Streptokokken-Infektion vermeiden

Die Streptokokken-Reduktion war auch für die Seydaland-Anlagenleiterin Gisela Hellbach ein entscheidender Grund, die nadelfreie Impfung mit FreVAX gemeinsam
mit ihrem Tierarzt testen zu wollen. Streptokokken sind die wohl am häufigsten vorkommenden Bakterien im Stall. Sie sind überall: im Staub, im Kot, auf Fliegen, Mäusen und Ratten, auf den Mandeln, den Schleimhäuten und auch auf der Haut. Insbesondere der auf das Schwein adaptierte Streptococcus suis mit mittlerweile mindestens 28 Serotypen stellt die Betriebe immer wieder vor Probleme. Die bei Streptokokken-Infektionen auftretenden Krankheitsbilder sind vielfältig: Erhöhte Neugeborenen-Sterblichkeit, Nabel-, Gelenk- und Hirnhautentzündungen, eitrige Lungenentzündungen, Kümmern im Flatdeck, plötzliche Todesfälle bei Mastschweinen und Sauen durch Herzklappenentzündung, Beteiligung bei Abortgeschehen. Streptokokken werden am häufigsten durch Wunden übertragen. Auch Injektionen wie Impfungen bieten über die Einstichstelle willkommene Eintrittspforten für die Bakterien. „Zwar ist die Erkrankung durch Streptokokken ein Faktorengeschehen. Deshalb können wir allein mit dem Verzicht auf die Nadel keine Wunder erwarten. Aber bei der nadelfreien Impfung ist eine Übertragung unwahrscheinlich“, erklärt Dr. Pfützner.

Dr. Martin Pfützner ist 

Bereichsleiter Schwein und Geflügel

in der Tierärztlichen Praxis am Weinberg in Jessen, Sachsen-Anhalt.

Arbeitsabläufe effizienter gestalten

Vor der Einführung von FreVAX erfolgte die Impfung der Ferkel gegen Circoviren und Mykoplasmen bei Seydaland Agrar in der Aufzucht. Vor allem wegen der  Streptokokken-Problematik aber auch aus arbeitswirtschaftlichen Gründen wurde die nadelfreie Impfung jetzt vorverlegt in die Sauenanlage. „Wir impfen die Ferkel nun
am 19. Lebenstag. Zwei Tage später wird abgesetzt. Der frühere Zeitpunkt bedeutet für uns auch weniger Kraftaufwand, denn die Ferkel sind ja dann erst um die 6 kg schwer und damit noch leichter als im Flatdeck. Wenn man bedenkt, dass wir jede Woche bis zu 800 Ferkel fangen, aufnehmen und impfen müssen, macht das schon einen Unterschied. Jedes Kilo weniger ist sehr erleichternd!“, schmunzelt Gisela Hellbach. Das Impfen mit dem neuen Impfgerät FreVAX spart auch Zeit, hat die Schweineexpertin festgestellt. „Wir arbeiten im Wochenrhythmus und impfen immer an einem festen Tag in der Woche. Das dauert etwa 1,5 Stunden. Vorher hat es mit der Nadel bis zu einer dreiviertel Stunde länger gedauert. Zum Glück ist der Nadelwechsel jetzt nicht mehr nötig“, freut sich die Schweinehalterin. Auch die Tiere profitieren ihrer Erfahrung nach von der neuen Technik. „Man sieht deutlich, dass der Eingriff für die Ferkel viel angenehmer ist. Sie wissen oft gar nicht, was mit ihnen passiert. Man hält das Gerät kurz an die Nackenmuskulatur, löst aus und dann war es das auch schon.“ Vorbei seien auch die ab und an auftretenden Schwellungen oder roten Stellen an der Impfstelle. „Es entsteht höchstens eine kleine Druckstelle vom Gerät, die aber sofort wieder verschwindet“, beschreibt Gisela Hellbach.

Kein Impfstoffwechsel nötig

Die Anlagenleiterin weiß noch einen weiteren großen Vorteil von FreVAX: „Wir nutzen bei uns im Betrieb die Impfstoffe von Boehringer Ingelheim gegen Circoviren und Mykoplasmen. Bei der Arbeit mit dem FreVAX können wir diese weiterhin nutzen, müssen also keine speziell für das Gerät entwickelten Impfstoffe kaufen wie bei anderen nadelfreien Impfgeräten.“ Der Betrieb kann also sein bewährtes Impfkonzept beibehalten und spart sich gleichzeitig den Zukauf von Einwegnadeln. Die  Impfflaschen werden einfach nacheinander auf das Impfgerät aufgeschraubt. Dabei ist FreVAX kompatibel mit den gängigen Flaschengrößen. Tierarzt Dr. Pfützner ergänzt: „Die intramuskuläre Impftechnik mit 1 oder 2 ml schafft Vertrauen. Denn so werden die meisten Impfstoffe in der Praxis verabreicht. Dass wir dadurch unsere aktuellen Impfstoffe weiter verimpfen können, ist wirklich ein großer Vorteil von FreVAX.“ Die Dosis wird im Gerät fest eingestellt. So ist sichergestellt, dass jedes Tier die richtige Impfdosis erhält. Wenn die Impfung fehlschlägt, meldet das Gerät einen Fehler. War die Impfung erfolgreich bzw. nicht erfolgreich, bestätigt FreVAX dies mit gut sichtbaren grünen bzw. roten Signalen. Für den Veterinär ist es darüber hinaus sehr angenehm, dass die Impfdaten digital per Bluetooth in der FreVAX-App auf dem Smartphone erfasst werden. Damit besteht  eine bessere Kontrolle der Impfqualität zum Beispiel bei Fremdarbeitskräften. „Dadurch können wir als Tierarztpraxis unserer Dokumentationspflicht besser nachkommen und sehen auch am Prozentsatz missglückter Impfungen, wenn mal wieder Bedarf an einer  Impfschulung ist“, sagt Dr. Pfützner.

Eine LED-Leuchte am
Impfgerät zeigt an, ob
die Impfung erfolgreich
war oder nicht.

Einfach zu bedienen

Anlagenleiterin Gisela Hellbach sieht hier keine Schwierigkeiten. Mittlerweile hat sie fast alle ihre Mitarbeiter an das Gerät angelernt und alle kommen problemlos damit zurecht. Auch finanziell lohne sich  die Anschaffung. „Besonders große Betriebe wie wir profitieren schnell. Daher wollen wir FreVAX auf jeden Fall weiter nutzen“, sagt sie zufrieden. „Einzig das Gewicht des Impfgerätes mit etwa 2,2 kg ist etwas schwer, für eine intramuskuläre Impfung aber wohl technisch unumgänglich. Zur Erleichterung gibt es bereits diverse praktikable Ansätze wie Oberarm-Manschetten oder Schlauchadapter für Impfrucksäcke. Zudem habe ich gehört, dass der Hersteller gerade an  einer stationären Halterung arbeitet, die uns die Impfung zusätzlich weiter vereinfachen wird. Wenn wir diese haben, ist wirklich alles perfekt.“

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